Leben, wo früher Loks rangierten

Im Herzen von Osnabrück entsteht auf dem gut zwei Jahrzehnte brachliegenden Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs ein neuer Stadtteil: das Lok-Viertel. Bevor das konsequent nachhaltig geplante Quartier wachsen kann, muss Altes weichen.

 

Gelände mit Grün- und Baustellenanteil. Im Hintergrund befindet sich ein halbrundes, flaches Gebäude und weitere Häuser.
Rückbau im März 2024. © Mull und Partner

 

„Folgen Sie bitte den Anweisungen der Einsatzkräfte vor Ort und verlassen Sie das Evakuierungsgebiet“, dröhnt es aus dem Megafon auf dem Feuerwehrfahrzeug, das in der Osnabrücker Innenstadt im Sommer 2025 seine Runden dreht. Polizei und Feuerwehr rufen die Menschen auf, sich nicht mehr in ihren Wohnungen und Arbeitsstätten aufzuhalten. Auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs in der Nähe sind Bomben gefunden worden – wie so oft in letzter Zeit. Wieder einmal müssen die Spezialisten des Kampfmittelbeseitigungsdiensts Niedersachsen anrücken und die gefährlichen Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg unschädlich machen. 

Der Rangier- und Güterbahnhof Osnabrück war ein stark bombardiertes Ziel während des Kriegs, da er für die Versorgung und den Transport wichtig war. Wo viel gebombt wurde, gibt es auch viele Blindgänger – logisch. Doch warum kommen die jahrzehntelang im Boden liegenden Sprengkörper erst jetzt zum Vorschein? Weil derzeit Bagger die rund 30 Fußballfelder große Fläche neben dem Hauptbahnhof Stück für Stück abtragen. Die Maschinen bereiten den Grund vor, damit er mit einem neuen innerstädtischen Quartier bebaut werden kann. Lok-Viertel soll der Stadtteil einmal heißen.

 

Boden fit machen mit EU-Förderung

„Die Revitalisierung des ehemaligen Güterbahnhofgeländes ist der erste und höchst entscheidende Schritt auf dem Weg zu einem urbanen Stadtquartier“, sagt Sarah Wöstmann. Sie ist Geschäftsführerin der Lok-Viertel-OS GmbH, einer eigens für die Entwicklung des neuen Stadtteils gegründeten Entwicklungsgesellschaft der Aloys & Brigitte Coppenrath Stiftung. Zu diesem ersten Schritt gehören der Rückbau von Bestandsgebäuden auf dem mehr als zwei Jahrzehnte brachliegenden Gelände sowie eine Bodensanierung mit Tiefenenttrümmerung – inklusive Kampfmittelsondierung. Das Land Niedersachsen fördert die Brachflächenrevitalisierung mit rund 8,3 Millionen Euro. Die Mittel stammen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

13 der insgesamt 16 ungenutzten Bestandsgebäude sind inzwischen abgerissen. Drei bleiben umgebaut erhalten. Die beim Rückbau zum Vorschein gekommenen Schadstoffe wie Asbest oder teerhaltige Produkte wurden sorgfältig separiert und entsorgt, die mineralischen Abfälle recycelt. Parallel zur Sanierung des Bodens findet auch eine Geländemodellierung statt. Sie bildet die Grundlage für das Prinzip der Schwammstadt, nach dem das Viertel aufgebaut wird. Ziel dieses klimagerechten Konzepts ist es, das Niederschlagswasser vor Ort zu halten. Zusammen mit einem Park sowie Dach- und Fassadenbegrünungen bildet es die grüne Lunge des Viertels und sorgt zum Beispiel für eine natürliche Kühlung durch Verdunstungskälte.

 

Ein durch und durch nachhaltiges Quartier

Fußläufig vom Osnabrücker Hauptbahnhof entfernt wird also in den nächsten zehn Jahren ein mustergültiges Stadtviertel der Zukunft Gestalt annehmen. Als Leitprinzip für die Umsetzung hat sich die Lok-Viertel-OS GmbH Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben – ökologisch, ökonomisch wie sozial. „Für ein gutes Leben in der Kernstadt Osnabrück“, fasst Sarah Wöstmann zusammen. Geplant ist etwa, Wohnraum für über 3.000 Menschen zu schaffen, vom exklusiven Loft über genossenschaftliche Wohnungen bis hin zum sozialen Wohnungsbau. Diese Durchmischung soll allen die Chance bieten, hier zu wohnen, gleich welchen Alters und welcher Lebens- oder Einkommenssituation. Angedacht sind neben Flächen zur gewerblichen Nutzung auch Nahversorgungs-, Kultur-, Freizeit-, Gastronomie- sowie Bildungsangebote und eine medizinische Grundversorgung. Mit dem Green Loop sind zudem insgesamt 43.000 m2 Grünflächen vorgesehen. Kurz: Das Lok-Viertel wird ein gemischt genutztes, lebendiges urbanes Quartier.

 

Autofrei durch Mobility Hubs

Neben einer modernen Energieinfrastruktur setzt auch das Mobilitätskonzept neue Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit: Weitgehend autofrei soll das neue Viertel werden. Die Idee: Die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner werden ihre Fahrzeuge in „Mobility-Hubs“ am Rand parken. Im Lok-Viertel selbst sollen nur teilautonom fahrende E-Fahrzeuge unterwegs sein. Als Shuttlebusse übernehmen diese den öffentlichen Nahverkehr oder den Liefertransport für das im Stadtteil ansässige Gewerbe. Ohnehin sind im Viertel alle Dinge des täglichen Bedarfs innerhalb von zehn Minuten zu Fuß zu erreichen.

Bereits fertiggestellt ist der restaurierte, denkmalgeschützte Ringlokschuppen am Eingang des Lok-Viertels, in dem das Coppenrath Innovation Centre (CIC) untergebracht ist. Einst wurde das über 100 Jahre alte Kerngebäude des ehemaligen Güterbahnhofs dazu genutzt, Dampfloks über zwei Drehscheiben in die Lokstände zu platzieren. Heute residieren hier 18 Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die sich schwerpunktmäßig mit dem Zukunftsthema „Künstliche Intelligenz“ beschäftigen.

Projektträger

Revitalisierung des ehem. Güter- und Rangierbahnhofgeländes in Osnabrück Lok-Viertel-OS GmbH

Landkreis/kreisfreie Stadt

Kreisfreie Stadt Osnabrück

Region

Weser-Ems

Projektstandort

Dies ist die Stadt oder Gemeinde, in der das Projekt hauptsächlich durchgeführt wird. 
Osnabrück

Fonds

Dies ist der EU-Fonds oder das Programm, aus dem die Fördermittel stammen.
EFRE

Summe EU-Förderung

Summe der beantragten EU-Förderung aller Projektträger in und außerhalb Niedersachsens, nicht nur die des Genannten.
6.696.625

Förderfähige Gesamtausgaben

Summe der förderfähigen Ausgaben aller Projektträger in und außerhalb Niedersachsens, nicht nur des Genannten
16.741.562